Die Finnen haben es einfach drauf! Auch wenn wir Südländer - von Finnland aus gesehen - dem vielseitigen Volk aus dem Norden bisweilen allerhand negative Attribute anhängen, wie Alkoholsucht-Probleme, eine hohe Selbstmordrate, stockfinstere Jahreszeiten und kalte, sehr kalte Winter. Man kommt nicht umhin, ihren gross- und einzigartigen Beiträgen zur zeitgenössischen Kultur gebührende Anerkennung zu zollen. Finnische Regisseure, wie Aki Kaurismäki, der mit seinem minimalistischen und ausdruckstarken Regiestil das europäische Kino revolutionierte. Oder etwa Vertreter des finnischen Metals, Nightwish, HIM, Children of Bodom, Insomnium (sic!), Lordi (?, aber auch Finnen), Amorphis und auch die Leningrad Cowboys (nun, nicht wirkliche Metaller, aber cool), um nur einige wenige zu nennen. Sie haben immensen Einfluss auf die europäische Kultur und auch auf die Wertebegriffe unter den Kultur-Konsumenten.
Und nun kommen zwei finnische Musiker, Eva und Manu, die sich Ende der 00-Jahre am Berklee Boston College of Music, USA, kennenlernen. 2010 beginnen sie gemeinsam Songs zu schreiben, während sie mit einem alten Camper durch Europa cruisen. Bereits zwei Jahre später ergattern sie sich einen Vertrag bei Warner Finnland und bringen ihr Erstlingswerk Eva+Manu, das ihre Reiseerfahrungen musikalisch vertont, heraus. Und das haut so richtig rein. Die Scheibe knackt auf Anhieb die finnischen Top Ten, bei den EMMA-Awards wird das Pärchen zum besten neuen Act erklärt und ihr Album erhält den Preis für «best Album Cover». Nicht schlecht für eine musikalische Startup-KMU. Aber es kommt noch besser: Eva und Manus zweites Album, Cinnamon Hearts, auf dem Themen, wie Freundschaft, Hoffnung, Bedauern und Mitleid in 10 starken Popsongs verarbeitet werden, holt die Zuhörer in Scharen ab und verschafft dem Duo gleichzeitig ein neues, jüngeres Publikum. Das Projekt Eva und Manu hat definitiv abgehoben und fliegt in höhere Sphären. 2016 wechseln die beiden das Label und nehmen unter EMI Capitol die Pop-Produktion Aliens auf. Der Song ist meiner subjektiven Meinung nach eher als Ausrutscher zu klassifizieren. Er hat das Ambiente eines knapp mittelmässigen Popsongs, der sehr nach Plastik tönt und neben fast allen anderen Songs von Eva und Manu durch seine einfältige Lieblosigkeit schlicht durchfällt. Da steckt viel (schlechter) Kommerz drin, wo eigentlich Gefühl und Seele drin sein sollten. Vermutlich liegt es an der dünnen Luft in der Erfolgssphäre, in der sie sich damals bewegen, und dem, durch verminderten Sauerstoffgehalt eingeschränkten Urteilsvermögen, dass die beiden so einen 08/15-Konsumsound überhaupt erst zur Veröffentlichung zulassen.
2018 besinnen sich Eva und Manu auf ihre urwüchsigen Stärken und musikalischen Wurzeln, die das Beste aus ihnen herauskitzeln. Das Ergebnis dieser fruchtbaren Rückbesinnung kann sich jetzt hören lassen: Im Januar 2019 erscheint das wuchtige und sehr persönliche EP-Album «In The Woods», dass überwältigend aufzeigt, dass die beiden zu Grossem berufen sind. Sechs starke, folkige Kompositionen, zeitlose Melodien und überirdisch sehnsüchtig wirkende Gesänge fahren den geneigten Zuhörerinnen und Zuhörern Bugattischnell in die Gehörgänge und dann ganz schnell und ganz tief in die Eingeweide ein. Eva und Manu können stolz sein auf diese Ohrenperlenkette. Passend zu dem ehrlichen, direkten Sound posieren sie auf dem Cover ihrer neuen Scheibe bis zu den Schultern im Wasser stehend, quasi unverhüllt und sich selbst offenbarend.
In diesem Sinne wünscht Ihnen Ihr Autor eine gute Woche! Cheers!
Manfred Sim Toppel ist Bassist, Songschreiber & Bandcoach aus Zürich
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